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Fragenübersicht Klinik wirft Pflegerin raus, weil sie als Betriebsrätin Überstunden machte! - Ist das für dich in Ordnung?
1 - 14 / 14 Meinungen
20.03.2021 14:40 Uhr
Der Focus-Artikel ist einfach schlecht, weil da überhaupt nicht ausgeführt wurde, worin der Arbeitszeitbetrug, der der Pflegerin vorgeworfen wird, bestehen soll.

20.03.2021 14:41 Uhr
Zunächst mal bedarf es der Zustimmung des Betriebsrates gem. §103 BetrVG, wenn ein BR-Mitglied gekündigt werden soll. Dies ist während der Amtszeit auch nur außerordentlich möglich - eine ordentliche Kündigung ist in der Regel ausgeschlossen. Der Arbeitgeber müsste im dargelegten Fall die Zustimmung des Betriebsrates durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen.

Auch rein logisch dürfte das Gericht dem Arbeitgeber in dieser Sache nicht folgen. Es kommt gerade in Betrieben, wie Pflegeeinrichtungen und Kliniken regelmäßig vor, dass die BR-Arbeit außerhalb der normalen Dienst- oder Schichtzeit wahrgenommen wird. Dies ist zwar vom Gesetzgeber so nicht gewollt, aber sowohl die Rechtsprechung, als auch die Praxis haben da inzwischen andere Maßstäbe gesetzt.
20.03.2021 14:43 Uhr
Der Arbeitgeber müsste sich eigentlich selbst kündigen, weil er die Arbeitnehmerin nicht für erforderliche Betriebsratsarbeit im notwendigen Maße freigestellt hat.
20.03.2021 14:47 Uhr
Zitat:
Der Arbeitgeber müsste sich eigentlich selbst kündigen, weil er die Arbeitnehmerin nicht für erforderliche Betriebsratsarbeit im notwendigen Maße freigestellt hat.


Zwar nicht selbst kündigen - aber, wenn der Betriebsrat (als Gremium) clever ist, versucht er den Arbeitgeber im Umkehrschluss über die sogenannte "Behinderung der BR-Arbeit", gem. §119 Abs.1 Nr.2 zu einer Bußgeldzahlung zu verdonnern.

Auch gem. §23 BetrVG kann der BR den Arbeitgeber zwingen sich in Zukunft gesetzkonform zu verhalten.

Ich sehe die Aussichten des Gremiums hier gut, eine positive Lösung, sowohl für die Kollegin, als auch für das Verhalten des Arbeitgebers in Zukunft zu erreichen.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 20.03.2021 14:47 Uhr. Frühere Versionen ansehen
20.03.2021 14:49 Uhr
Das Beispiel dürfte auch aufzeigen, mit welchen manchmal grenzwertigen Tricks versucht wird aktive Betriebsräte aus der Firma zu entfernen: Gerne genommen sind da angeblicher Arbeitszeitbetrug oder Unregelmäßigkeiten bei Reisekostenabrechnungen, die dann auch in manchen Fällen konstruiert werden und nur schwer zu entkräften sind.
20.03.2021 14:52 Uhr
Mist, jetzt hat Anteros bereits alles geschrieben, was ich schreiben wollte.

Na dann schließe ich mich den Ausführungen eben an
20.03.2021 15:01 Uhr
Geht es wirklich um Ãœberstunden? Geht es nicht um den Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs?

Angeblich wurde der Vorwurf vor Gericht jedoch schon so weit zurückgewiesen, dass es keine fristlose Kündigung geben kann. Laut Zeugen wären die Zeiten gut dokumentiert und hätten zum Teil in Gegenwart von Arbeitgebervertretern stattgefunden!
20.03.2021 15:24 Uhr
Zitat:
Geht es wirklich um Ãœberstunden? Geht es nicht um den Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs?
In Wirklichkeit dürfte es um was ganz anderes gehen, was aber kein Kündigungsgrund ist. Also versucht man es auf anderem Weg.
22.03.2021 07:37 Uhr
Man könnte mit der Bewertung natürlich warten, bis das Gerichtsverfahren abgeschlossen ist. Aber dann könnte man jetzt keinen verbalen Klassenkampf machen. Menno.
22.03.2021 07:57 Uhr
Zitat:
Sie habe ihre Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrats der Klinik außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit ausgeübt.


Was ist denn das für eine merkwürdige Begründung? Viele Gespräche mit Mitarbeitern finden außerhalb der regulären Arbeitszeit statt, gerade um den Schutz der jeweiligen Betroffenen zu gewährleisten. Viele Kolleg*innen nutzen die Zeit vor oder nach Feierabend, um sich vertrauensvoll an den BR zu wenden, um eben nicht am Arbeitsplatz zu fehlen.

Die Arbeitsgerichte sind voll mit solchen unsinnigen Kündigungsverfahren und die Unternehmen produzieren hohe Kosten durch die Prozesse, die sie regelmäßig verlieren.
22.03.2021 08:10 Uhr
Zitat:
Sie habe ihre Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrats der Klinik außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit ausgeübt.


Wichtig ist bei der Beurteilung dieses Satzes auch die Betrachtung der verschiedenen Aspekte:

1) Die Mitarbeiterin hat einen Arbeitsvertrag, der sie verpflichtet innerhalb der dort verankerten, bzw. tariflich vorgesehenen Zeiten ihre Arbeitsleistung anzubieten

2) Die Mitarbeiterin hat ein Mandat zu einem Ehrenamt. Dieses Ehrenamt hebelt zumindest in Teilen die im Arbeitsvertrag niedergelegten Bedingungen aus. So ist z.B. Betriebsratsarbeit vorrangig vor geschuldeter arbeitsvertraglicher Leistung.

3) Das Ehrenamt endet nicht am Werkstor, an der Bürotür oder im vorliegenden Fall am Personalausgang der Klinik. Das Ehrenamt wirkt auch über die Schwellen des Betriebsgeländes hinaus. So sind Konstellationen denkbar, in denen ein BR-Mitglied außerhalb der Arbeitszeit BR-Arbeit verrichtet, indem es sich z.B.mit einem Mitarbeiter trifft und Sachverhalte bespricht - oder auch zur Klärung (z.B. einer Betriebsvereinbarung) einen Gewerkschaftsvertreter oder Anwalt aufsucht.

4) Zu trennen ist auch die vergütungsrechtliche Seite. Handelt ein Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgaben basierend auf einem Beschluss des Gremiums außerhalb der Arbeitszeit, so ist die aufgewandte Tätigkeit, wie Arbeitszeit zu vergüten. (BAG-Rechtsprechung)
Daher ist auch sehr zu empfehlen, dass Gremien zu solchen Handlungen, die die normale Arbeitszeit sprengen entweder individuelle - oder noch besser: Vorratsbeschlüsse fassen.

In diesen letzten Punkt gehören natürlich nicht die Lektüre von BR-Publikationen am Abend beim Pommes-Essen - aber das dürfte dem gesunden Menschenverstand auch klar sein.
22.03.2021 08:23 Uhr
Zitat:
Die Arbeitsgerichte sind voll mit solchen unsinnigen Kündigungsverfahren und die Unternehmen produzieren hohe Kosten durch die Prozesse, die sie regelmäßig verlieren.


Leider ist auch die Anwalts-Welt nicht frei von solchen dubiosen "Subjekten", die ihre Berufung darin sehen, Arbeitgeber dahingehend zu beraten, wie sie möglichst schnell ihre aktiven Betriebsräte/innen wieder los werden.

Ein ganz übles Beispiel dieser Sorte "fehlgeleiteter Anwälte" ist Helmut Naujoks. Ein Bericht eines durch die Gewerkschaft engagierten Detektivs schilderte, mit zahlreichen Dokumenten unterlegt, Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR detailliert, wie er und Kollegen jahrelang in Firmen unbequeme Mitarbeiter (bevorzugt Betriebsräte) nicht nur bespitzelten, sondern ihnen Fallen stellten und Straftaten andichteten. Damit ihre Arbeitgeber sie loswerden oder zumindest den Betriebsrat sprengen konnten.
22.03.2021 08:36 Uhr
P.s.:

Ist jemanden das Aktenzeichen der Verhandlung bekannt?
22.03.2021 08:42 Uhr
Bei der taz befindet sich ein etwas ausführlicherer Artikel zu den Gründen - den zitiere ich hier, wegen der Klarheit in den Aussagen:

Zitat:
Eigentlich müssen betriebsrätliche Tätigkeiten während der normalen Arbeitszeit erledigt werden, jedenfalls in Regelbetrieben. In einer Klinik geht das meistens nicht, es findet dort kein Regel-, sondern Schichtbetrieb statt und die vom Pflegepersonal zu erledigenden Aufgaben lassen meistens keinen Spielraum – etwa für die Arbeit im Betriebsrat.

Zahlreichen solchen Aufgaben aber ging die Krankenpflegerin Anja C. nach: Sie war an der Gründung des Betriebsrats der Klinik Fleetinsel beteiligt, war Sprecherin des Wirtschaftsausschusses, außerdem zuständig für Arbeits- und Gesundheitsschutz, wechselte später in die Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit und ließ sich im August 2020 zur stellvertretenden Konzernbetriebsratsvorsitzenden wählen. Sie kümmerte sich um all das in ihrer Freizeit, von zu Hause aus – so erlaubt es auch das Betriebsverfassungsgesetz. Von Januar bis September stellte sie ihrem Arbeitgeber dafür 184,35 Stunden in Rechnung.

Sonntagsarbeit? Verdächtig

Das wirft ihr die Konzernführung nun vor und verdächtigt sie, zu viele Stunden angegeben zu haben. C. habe „falsche Arbeitszeiten zur Erschleichung von Arbeitsbefreiung vorgetäuscht, indem sie (…) Zeiten für Betriebsratsarbeit vorgetäuscht hat, die sie tatsächlich nicht (…) geleistet hat“, schreiben die von Atos beauftragten Rechts­an­wäl­t*in­nen dem Gericht. Auch, dass C. die Stunden häufig an Sonn- und Feiertagen veranschlagte, bemängelt die Konzernführung.
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