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Fragenübersicht [Themenwoche: Mitbestimmung] Sollte der Betriebsrat grundsätzlich ein Vetorecht bei beabsichtigten Kündigungen von Arbeitnehmern haben?
1 - 20 / 36 Meinungen+20Ende
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08.04.2021 21:50 Uhr
Schon jetzt hat der Betriebsrat bei besonders schutzwürdigen Personen (z.B. Mandatsträgern) das Recht die Zustimmung zu verweigern, was zur Folge hat, dass der Arbeitgeber die Zustimmung durch ein Gerichtsverfahren ersetzen lassen muss.

Die derzeitigen Instrumente:

Widerspruch (sichert dem betroffenen Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess die Weiterbeschäftigung - egal wie lange der dauert),

Bedenken äußern (falls einer der expliziten Widerspruchsgründe nicht greift die Möglichkeit über Prosa ein besonders gutes Bild des zu Kündigenden zu zeichnen - was die Kammer beim Arbeitsgericht auch beim Urteil einbezieht),

Die Nichtäußerung (fingiert eine Zustimmung)


Sowie die Zustimmung

...könnten insgesamt noch feingetuned werden, damit den Betriebsräten auch schon aus dem Gesetzestext klar wird, welche Folgen sich aus der jeweiligen Stellungnahme zur beabsichtigten Kündigung ergibt.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 08.04.2021 21:51 Uhr. Frühere Versionen ansehen
08.04.2021 21:53 Uhr
Ein Betriebsrat ist kein Arbeitsgericht. Bei der Bewertung von Kündigungsfällen ist juristisches Fachwissen und Fingerspitzengefühl von Nöten. Dem Betriebsrat quasi ein generelles Vetorecht zur Verhinderung der Kündigungen an die Hand zu geben sehe ich daher zwiespältig.
08.04.2021 21:53 Uhr
Ich tendiere zu nein. Der Arbeitnehmer kann heute schon Kündigungsschutzklage erheben. Und beim Aussprechen der Kündigung kann schon vieles schief gelaufen sein, was der Betriebsrat so nicht mitbekommt. Damit sieht jeder Arbeitgeber dann vor Gericht ziemlich alt aus, weil er noch nicht mal die notwendigsten Formalien eingehalten hat, mal abgesehen davon, dass eine Kündigung immer nur das letzte Mittel sein kann und da dürfte die Auslegung des Arbeitgebers und des Gerichts oft, sagen wir mal, unterschiedlich sein.

Außerdem sind Betriebsräte keine Juristen.
08.04.2021 21:54 Uhr
Wenn der AG den Mitarbeiter loswerden will, wird nur der Weg vor das Arbeitsgericht gehen. Und das ist heute schon möglich. Ich sehe also den Vorteil der beschriebenen Änderung nicht.
08.04.2021 21:57 Uhr
Zitat:
Wenn der AG den Mitarbeiter loswerden will, wird nur der Weg vor das Arbeitsgericht gehen. Und das ist heute schon möglich. Ich sehe also den Vorteil der beschriebenen Änderung nicht.


Nö. Es geht auch ein Aufhebungsvertrag und Geld hinterherschmeissen, wenn beide nicht mehr wollen oder der Arbeitnehmer sich letztendlich dazu nötigen lässt, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Damit vergeigt er sich die Kündigungsschutzklage, weil sich ja beide Seiten einig waren.
08.04.2021 21:59 Uhr
Zitat:
Wenn der AG den Mitarbeiter loswerden will, wird nur der Weg vor das Arbeitsgericht gehen.


Wenn der Arbeitgeber einen Mitarbeiter loswerden will, ohne einen fundiert vorgetragenen Kündigungsgrund zu haben, dann geht der Weg nicht übers Arbeitsgericht, sondern mittels eines Aufhebungsvertrages am Betriebsrat vorbei und meist mit einer Abfindung versüßt.

Solange den Arbeitgebern dieses außergerichtliche Mittel verbleibt und bei Unterschrift (Vertragsfreiheit!), dem Arbeitnehmer kaum Möglichkeiten bleiben selbigen zu widerrufen - wird dieses populäre Instrument weiterhin das Mittel der Wahl in solchen Fällen sein.
08.04.2021 21:59 Uhr
Wo liegt der Unterschied zwischen dem bereits existierenden Widerspruch und dem vorgeschlagenen Veto-Recht des Betriebsrats?
08.04.2021 22:01 Uhr
Zitat:
letztendlich dazu nötigen lässt


Eine Nötigung, oder gar widerrechtliche Drohung führt zur Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages.

Problem: Die Beweislast liegt beim Arbeitnehmer.

Lösung: Sollte ein Personalgespräch in die Richtung Aufhebung abdriften sofort ein BR-Mitglied des Vertrauens hinzuziehen.
08.04.2021 22:02 Uhr
Zitat:
Dem Betriebsrat quasi ein generelles Vetorecht zur Verhinderung der Kündigungen an die Hand zu geben sehe ich daher zwiespältig.


Ein Betriebsrat hat als Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen geradezu die Pflicht, Kündigungen grundsätzlich zu widersprechen.
08.04.2021 22:05 Uhr
Zitat:
Wo liegt der Unterschied zwischen dem bereits existierenden Widerspruch und dem vorgeschlagenen Veto-Recht des Betriebsrats?


Ein Veto würde bedeuten, dass der Betriebsrat die Kündigung verhindert und der Arbeitgeber nur durch ein Zustimmungsersetzungsverfahren dagegen vorgehen kann.

Der Widerspruch (siehe §102 BetrVG) ist eine der vier Möglichkeiten bei einer ordentlichen Kündigung auf das Anhörungsschreiben des Arbeitgebers zu reagieren.

Aber egal wie der Betriebsrat reagiert: Also Widerspruch/Bedenken äußern/Nichtäußerung/Zustimmung:
Der Arbeitgeber kann immer kündigen.

Einziger Vorteil beim Widerspruch: Der Arbeitnehmer hat weiter Anspruch auf Gehalt bis zum Ende des Kündigungsschutzprozesses

Ausnahme: Der Arbeitgeber kündigt im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer nach §1a KüSchG - dann verzichtet der Arbeitnehmer bewusst auf das Rechtsmittel und kassiert zur Kompensation die gesetzlich zugesicherte Abfindung von einem halben Monatslohn je Jahr der Betriebszugehörigkeit.
08.04.2021 22:06 Uhr
@anteros und foreverdol:
Ein Aufhebungsvertrag setzt doch eine gewisse Einvernehmlichkeit voraus (die beschriebene Nötigung ist keine Einvernehmlichkeit). Im Hintergrund der Umfrage geht es um die Kündigung durch den AG, also einseitig und ohne Aufhebungsvertrag.
08.04.2021 22:06 Uhr
Zitat:
Eine Nötigung, oder gar widerrechtliche Drohung führt zur Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages.

Problem: Die Beweislast liegt beim Arbeitnehmer.

Lösung: Sollte ein Personalgespräch in die Richtung Aufhebung abdriften sofort ein BR-Mitglied des Vertrauens hinzuziehen.


Weiß ich. Aber du und ich wissen, dass es jede Menge Leute gibt, die entweder

a) meinten, sie könnten das alleine
b) sich nicht trauen, ein BR-Mitglied zum Gespräch hinzuzuziehen oder
c) vielleicht auch nicht in der Lage sind, ein BR-Mitglied hinzuzuziehen.

Sowas läuft ja oft nach dem Motto "Kommen Sie mal in mein Büro". Und bis manche gecheckt haben, was da abgeht, haben sie auch schon unterschrieben.
08.04.2021 22:07 Uhr
Zitat:
Ein Betriebsrat hat als Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen geradezu die Pflicht, Kündigungen grundsätzlich zu widersprechen.


Sorry, das ist Blödsinn.

Liegen die Widerspruchsgründe aus §102 Abs.3 BetrVG (abschließende Aufzählung!) nicht vor, dann läuft ein Widerspruch ins Leere.
08.04.2021 22:08 Uhr
Zitat:
@anteros und foreverdol:
Ein Aufhebungsvertrag setzt doch eine gewisse Einvernehmlichkeit voraus (die beschriebene Nötigung ist keine Einvernehmlichkeit). Im Hintergrund der Umfrage geht es um die Kündigung durch den AG, also einseitig und ohne Aufhebungsvertrag.


Ja, aber beweis mal ohne Zeugen, dass ein Arbeitgeber dich gedrängt hat, etwas zu unterschreiben.
08.04.2021 22:09 Uhr
Zitat:
Ja, aber beweis mal ohne Zeugen, dass ein Arbeitgeber dich gedrängt hat, etwas zu unterschreiben.


Das ist nämlich genau der Knackpunkt!
08.04.2021 22:12 Uhr
Zitat:

Sorry, das ist Blödsinn.

Liegen die Widerspruchsgründe aus §102 Abs.3 BetrVG (abschließende Aufzählung!) nicht vor, dann läuft ein Widerspruch ins Leere.


Naja, man kann da sehr kreativ sein, dass zumindest aus Betriebsratssicht einer dieser Gründe vorliegt. Manchmal etwas arg konstruiert, aber erst mal widersprochen.

Ich habe während meiner Betriebsratszeit nur 1 Mal erlebt, dass wir die Frist haben verstreichen lassen. Will das nicht ausführen, aber das Verhalten des Arbeitnehmers konnten wir uns halt nicht schönsaufen. Wir haben ihm allerdings noch einen Anwalt genannt. Mehr wollten wir in diesem einen speziellen Fall dann aber wirklich nicht tun. Es gibt auch Mitarbeitende, die geschützt werden müssen.
08.04.2021 22:12 Uhr
Zitat:
Ein Betriebsrat hat als Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen geradezu die Pflicht, Kündigungen grundsätzlich zu widersprechen.


Der Betriebsrat hat nach der Anhörung die am Fall gemessen richtige Stellungnahme abzugeben. Wer da einen Fehler macht und trotz Nichtvorliegen der Widerspruchsgründe einen Widerspruch bastelt hilft dem Arbeitnehmer keinen Zentimeter weiter.

Ich habe in der Kammer schon oft geschmunzelt, wenn die Stellungnahme des Betriebsrats dann bei der Erörterung des Falles vor Gericht lustig aber stetig zerbröselte. Insbesondere kann es gefährlich werden, wenn der Arbeitnehmer sich in der trügerischen finanziellen Sicherheit wähnt, die der juristisch korrekte Widerspruch ja mit sich bringt.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 08.04.2021 22:15 Uhr. Frühere Versionen ansehen
08.04.2021 22:14 Uhr
Zitat:


Ja, aber beweis mal ohne Zeugen, dass ein Arbeitgeber dich gedrängt hat, etwas zu unterschreiben.



Ja klar.
M.E. würde es anstatt des Vorschlags aus dem Hintergrund mehr helfen, Gespräche über Aufhebungsverträge nur in Anwesenheit von BR oder Rechtsanwalt führen zu dürfen.
08.04.2021 22:19 Uhr
Zitat:
Ja klar.
M.E. würde es anstatt des Vorschlags aus dem Hintergrund mehr helfen, Gespräche über Aufhebungsverträge nur in Anwesenheit von BR oder Rechtsanwalt führen zu dürfen.


Schon die vom BAG vielzitierte "Interessenabwägung" sollte genau dazu führen, dass bestandsgefährdende Gespräche, die als Ziel einen Aufhebungsvertrag haben nicht mehr nach dem oben bereits zitierten Motto: "Kommen sie doch nachher mal in mein Büro" ablaufen können.

Zudem sollte auch eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen (z.B. Sperre beim Arbeitslosengeld) zum Standard werden.

Sobald dann ein Arbeitgeber diese Rahmenbedingungen nicht einhält sollte das zur Nichtigkeit/Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages führen.
08.04.2021 23:09 Uhr
Zitat:
Ich habe in der Kammer schon oft geschmunzelt, wenn die Stellungnahme des Betriebsrats dann bei der Erörterung des Falles vor Gericht lustig aber stetig zerbröselte.


Was gibt es bei der Stellungnahme des Betriebsrates gegen eine Kündigung zu schmunzeln? Man sollte nie vergessen, dass die Vorsitzenden des Betriebsrates juristische Laien sind, die verständlicherweise nichts unversucht lassen, um den Betroffenen zu helfen. Ich kann nicht lustiges in so einer Situation entdecken.
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